Unser Gehirn ist ein Überlebenswerkzeug. Es ist auf das Erkennen von Bedrohungen ausgerichtet. Deshalb werden negative Ereignisse von unserm Gehirn schnell und nachhaltig als negative Erfahrungen gespeichert. Unser Hirn wirkt auf negative Ereignisse wie Klebeband: sie bleiben sofort hängen, um uns in zukünftigen ähnlichen Situationen zu alarmieren.
Dagegen sind positive Ereignisse für unser Überleben weitaus weniger wichtig. Sie perlen in unserm Hirn oft ab ohne Erfahrungsspuren zu hinterlassen, wie Wasser auf einer Teflonbeschichtung.
So ist unser Hirn gut darauf vorbereitet, alle möglichen Gefahren und Bedrohungen aufgrund unserer bisherigen Lebenserfahrungen zu erkennen. Je größer wir die Bedrohung einschätzen, desto archaischer sind unsere Reaktionen auf sie, nämlich Kampf, Flucht oder Totstellen. Wenn unser Leben tatsächlich in Gefahr ist, sind das angemessene Verhaltensweisen. In unserer heutigen, komplexen Welt sind diese alten Verhaltensmuster aber nur selten wirklich hilfreich. Heute sind in schwierigen Situationen vor allem Umsicht, Gelassenheit, Vernunft, Entscheidungskraft und Kreativität gefragt. Diese Kompetenzen stehen uns aber nur dann zur Verfügung, solange unser Hirn nicht bei jedem unangenehmen Ereignis die Alarmglocke schlägt.
Eine Möglichkeit, unser Hirn zu trainieren, nicht so schnell Alarm zu schlagen, ist es, den positiven Ereignissen, die uns in unserm Leben viel öfter begegnen als wir es wahrnehmen, mehr Raum zu geben, so dass sie sich auch als Erfahrungen in unserm Gehirn niederschlagen können. Die Hirnforschung hat gezeigt, dass dazu schon 20 – 30 Sekunden ausreichen, in denen man dem positiven Ereignis seine Aufmerksamkeit schenkt. Das ist doch überschaubar, oder? Und wenn es nicht wirkt, hat man 20 – 30 Sekunden eine gute Zeit gehabt – auch nicht schlecht. Hier die Übungstipps:
- Achten Sie darauf, was Ihnen in Ihrem Alltag Positives begegnet. Das kann ein blühender Baum sein, ein erfreuliches Kundengespräch, der Witz eines Kollegen, die Freude über einen erholsamen Schlaf, das Rumtollen mit den Kindern, das Lob der Chefin, der Sieg des SC Freiburg, das Bier nach dem Training usw. Das klingt einfach, ist aber der schwierigste Teil der Übung, nämlich dass Ihnen das Positive im Alltag überhaupt bewusst auffällt.
- Wenn Ihnen dann etwas Positives aufgefallen ist, halten Sie inne (soweit das die Situation zulässt) und schenken Sie sich 20 Sekunden Achtsamkeit nur für dieses positive Ereignis oder Erlebnis. Wenn sie wollen schauen Sie auf die Uhr.
- Lassen Sie in dieser Zeit das Positive in sich „einsinken“. Genießen sie die positiven Gefühle. Sie werden merken, Achtsamkeit wirkt wie Dünger. Kleine, flüchtige Gefühle werden größer und kräftiger.
Lassen Sie sich in diesen 20 Sekunden nicht ablenken, vor allem nicht von Ihren inneren Stimmen, die Sie vielleicht daran erinnern, dass Sie ja eigentlich gar keine Zeit haben, dass das ganze esoterischer Humbug wäre oder dass es wichtigeres zu tun gäbe oder was auch immer Ihre Stimmen vorbringen, um Sie davon abzuhalten, sich 20 Sekunden Positives zu gönnen.