Der Gugelhupf und das Glück

von | Okt 5, 2016 | Selbstreflexion, Umgang mit Angenehmem

Wie lange müssen Sie noch auf Ihr Glück warten: bis zum nächsten Wochenende, bis zum nächsten Urlaub, bis die Kinder in die Schule kommen, das Projekt endlich geschafft ist, Sie oder Ihr Chef den Job gewechselt haben oder bis Sie endlich in Rente gehen?

Und wie viele herbei gesehnten Glückstermine haben schon stattgefunden, die Sie dann wieder verschieben mussten, weil das Glück offensichtlich nichts vom Termin wusste.

Ich jedenfalls bin schon oft vom Glück versetzt worden und deshalb kommt es mir manchmal wie ein schlechter Witz vor, wenn ich dann angesichts aktueller Probleme zurückschaue und denke, wie gut es mir früher gegangen ist, was mich dann immer an den Ausspruch einer berühmten Schauspielerin auf dem Sterbebett erinnert: „Ich hatte ein wundervolles Leben. Hätte ich es nur mitgekriegt.“

Tatsächlich sind Lebensphasen ungetrübten Glücks eher die Ausnahme. Wir sind leider nur selten verliebt. Im Normalfall bietet uns das Leben einen Cocktail aus Endorphinen und Cortisol und es ähnelt einem Gugelhupf, in dem mal mehr und mal weniger Rosinen stecken. Natürlich wünschen wir uns immer einen Gugelhupf mit mehr Rosinen. (Wenn wir Rosinen überhaupt mögen.) Das ist normal und auch kein Problem, solange wir über den Wunsch nach mehr, die Rosinen übersehen, die in dem Gugelhupf stecken, der gerade vor uns steht. Übrigens ist es überraschend, wie viele man findet, wenn man sich mal auf seinen Gugelhupf eingelassen hat. Vermutlich hat Nietzsche an auch Gugelhupfrosinen gedacht, als er schrieb: „Als ich des Suchens müde ward, erlernte ich das Finden.“

Hier eine Achtsamkeitsübung zum Erlernen des Findens.

  • Entscheiden Sie sich, wenn Sie morgens aufstehen, darauf zu achten, was Ihnen während des Tages Erfreuliches begegnet. Der erste Schritt zum Glück ist die Entscheidung und die Absicht, das Angenehme und Erfreuliche am Tag wahr- und ernst zu nehmen.
  • Versuchen Sie nicht nur die großen erfreulichen Ereignisse zu bemerken, das Kompliment Ihres Chefs, der erfolgreiche Abschluss einer schwierigen Aufgabe, das selbstgemalte Bild Ihres Kindes, sondern auch die kleinen Ereignisse, die grüne Welle auf dem Weg zur Arbeit, die Färbung der Blätter, das Lächeln eines Kollegen, das gut gebackene Croissant, ein Lieblingslied im Radio.
  • Machen Sie sich das Angenehme, Schöne und Erfreuliche der Ereignisse ausdrücklich bewusst. Genießen Sie sie. Vielleicht bemerken Sie auch kleine Reaktionen in Ihrem Körper. Um die positiven Ereignisse mehr auszukosten und im Gedächtnis zu verankern, kann Ihnen helfen, wenn Sie innerlich zu sich sagen: Ja, das ist jetzt angenehm, schön oder erfreulich. Sie können auch eine mentale Strichliste machen und die Ereignisse zählen. Alles was Sie dabei unterstützt, den Ereignissen mehr Gewicht zu verleihen, ist gut.
  • Nehmen Sie sich am Ende des Tages etwas Zeit, um sich an die kleinen und großen positiven Erfahrungen zu erinnern. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit sondern um einen positiven Tagesabschluss und die erneute Verankerung der positiven Erfahrungen im Gedächtnis.

Im Zeitalter der Neuroplastizität können wir uns nicht mehr darauf zurückziehen, dass uns Glück nicht beschieden ist. Glück muss man auch wollen. In diesem Sinne sind Sie eingeladen, die Übung oft zu wiederholen und das Rosinenpicken zu üben.

Ich wünsche Ihnen eine glückliche Zei.

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