Die (un)geliebte Wohnung

von | Mrz 9, 2017 | Selbstreflexion, Umgang mit sich

Stellen Sie sich vor, Ihr Leben wäre eine Wohnung. Fühlen sie sich wohl in ihr? Ja. Dann legen Sie den Achtsamkeitsimpuls weg, schauen Sie ein paar Augenblicke aus dem Fenster und freuen Sie sich Ihres Lebens. Nein. Dann lade ich Sie ein weiterzulesen.

Vielleicht kennen Sie dann auch dieses Phänomen: Wir sehen eine fremde Wohnung, die uns gefällt und sofort fangen wir an, an unserer eigenen rumzumäkeln. Das Leben der anderen scheint besser, schöner, entspannter und erfolgreicher zu sein als unseres. In unserer „Lebenswohnung“ gibt es alte Erbstücke, die schon immer stören, von denen man sich aber doch nicht trennt, z. B. das Gefühl, immer irgendwie unzulänglich zu sein, der oft so hinderliche Perfektionismus oder der Hader mit dem Körper. Da gibt es die permanent unaufgeräumten Ecken, die kleinen Alltagsschwächen: das plötzliche Aufbrausen, der allzu schnelle Rückzug, die Unordentlichkeit oder die Pingeligkeit. Dann gibt es die großen Renovierungsprojekte, die wir eigentlich schon lange anpacken wollten, z. B. den Arbeitsplatz verändern, die Wohnungssuche angehen, endlich eine Entscheidung treffen. Dann gibt es die kleinen Zeitfresser, die gut als Ausrede taugen, wichtigeres nicht anpacken zu können, z. B. die 1000 Verpflichtungen und Informationen, denen wir glauben nachkommen und nachgehen zu müssen. Zum Schluss würden wir am liebsten alles sofort ganz anders machen. Und morgen stehen wir auf und machen es genauso wie heute.

Wenn Sie das kennen, dann ist die erste gute Botschaft: Sie sind nicht allein. Auch wenn die glänzende Fassade nicht so aussieht, den meisten geht es genauso wie Ihnen. Glauben sie mir. Und die zweite gute Botschaft: Sie müssen gar nichts verändern, damit es Ihnen in Ihrer Wohnung etwas besser geht. Es reicht schon, den Hader mit Ihrer Wohnung ein bisschen aufzuweichen. Probieren Sie es aus.

  • Gönnen Sie sich etwas Zeit, um sich auf Ihre „Lebenswohnung“ zu besinnen, z. B. am Abend im Bett oder auf einer Bank bei einem Spaziergang. Nehmen Sie ein paar Atemzüge bewusst wahr, um sich zu sammeln.
  • Schauen Sie nun zuerst auf das, was Ihnen im Moment in Ihrem Leben gefällt, auf das, was funktioniert, was sie jeden Tag leisten, was Sie erreicht haben, was Ihnen Spaß macht oder worüber Sie sich freuen, worauf Sie stolz und wofür Sie dankbar sind. Versuchen Sie im besten Sinne des Wortes nicht leicht-fertig zu sein. Da ist mehr als Sie glauben. Schätzen Sie es wert. Es könnte anders sein.
  • Schauen Sie dann auf das, was Ihnen nicht gefällt: Ihre Schwächen, Fehler, Misserfolge und falschen Entscheidungen, Ihre Makel und Unvollkommenheiten. Schauen Sie auf das, was sie stört, einengt, ärgert, bedroht oder was Ihnen fehlt und Sie schmerzlich vermissen. Behalten Sie dabei im Hinterkopf, die Liste Ihrer Kollegen, Freunde, Verwandte, Bekannte ist ähnlich lang. Sie kennen sie nur nicht.
  • Nun die Herausforderung: Versuchen Sie, so gut es im Moment geht, dem zuzustimmen, was Ihnen nicht gefällt in Ihrem Leben und Ihren Widerstand und Ihren Hader aufzugeben, dass es nicht so ist, wie Sie es gerne hätten. Lassen Sie nur für diesen Moment, quasi probehalber, alles da sein, ohne es weghaben zu wollen oder verändern zu müssen. Seien sie neugierig darauf, wie Sie dann reagieren. Welche Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen tauchen auf. Vielleicht spüren Sie etwas von der Entlastung, die mit dem Zustimmen einhergeht oder vielleicht bekommen Sie eine Idee, was wirklich wichtig ist für Sie.

Wenn das Zustimmen auch probeweise nicht funktioniert, zeigt das oft nur, dass es Ihnen im Moment wirklich nicht gut geht. Ein guter Anlass, um etwas fürsorglicher und wohlwollender mit sich umzugehen. Vielleicht fällt Ihnen ein, was Sie sich jetzt Gutes tun könnten.

Ich wünsche Ihnen viel Behaglichkeit in Ihrem Leben.

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