Natürlich sind Ziele wichtig. Im Berufsleben genauso wie im Privatleben. Aber nicht immer gelingt uns ein weiser Umgang mit ihnen. Leicht geraten wir unter Stress, wenn wir mit Blick auf das Ziel vor allem den Abstand zu ihm sehen. Kaum ist ein Schritt getan und schon richtet sich der Blick nach vorne. Und auf geht’s. Der nächste Schritt kann gar nicht schnell genug gegangen werden, angesichts der gefühlt tausend Schritte, die wir täglich gehen müssen, um unseren vielen Zielen näher zu kommen. Es zählt die Zielerreichung. Der Weg dorthin, konkretisiert in unserer To-do-Liste, ist einfach nur ein Hindernis, das so schnell wie möglich überwunden und abgearbeitet werden muss.
Eine solche Haltung, die die Schritte zum Ziel wenig würdigt und die mit ihnen verbundene Anstrengung ignoriert, bezahlen wir mit übermäßigem Stress und mit mentaler Erschöpfung, die sich oft auch in körperlichen Symptomen und Krankheiten äußert. Die Stressmedizin ist da sehr klar. Meistens klarer als wir selbst: Schätzen wir die Anstrengung richtig ein, die es für uns bedeutet, die To-dos des Alltags zu erledigen? Wie gehen wir mit dem Entspannungsbedarf um, den unsere Biologie fordert? Wieviel Raum und Zeit gönnen wir uns für Freude und Befriedigung über Schritte, die schwierig und herausfordernd waren?
Gerade wenn wir unter Zeitdruck stehen und Entspannungsphasen umso notwendiger sind, erlauben wir uns keine Pausen, manchmal auch weil wir wenig nützliche Vorstellungen davon haben, wieviel Zeit wir für sie eigentlich bräuchten. Da geistern Vorstellungen von Urlauben auf der Insel, langen Wochenenden ohne Verpflichtungen, unbelasteten Feierabenden durch unsere Köpfe oder der Gedanke, dass Entspannung sowieso erst möglich ist, wenn dies und jenes erledigt oder der personelle Engpass vorbei ist. De facto sind schon wenige Sekunden Entspannung, dafür häufiger in den Alltag eingestreut, verblüffend wirksam. Hier eine kurze Geh-Übung, die darauf basiert, die in jedem Schritt eingebaute Entspannungsphase bewusst wahrzunehmen. Da wir immer mal irgendwohin gehen müssen, z.B. zur Toilette, bietet jeder Tag viele Gelegenheiten für sie.
- Entschließen Sie sich die nächsten 5-10 Schritte bewusst zu gehen, was in der Regel besser gelingt, wenn Sie sehr langsam gehen und sich für jeden Schritt Zeit nehmen. Deshalb ist es vielleicht auch gut, wenn Sie dabei unbeobachtet sind. Es kann für andere seltsam wirken, wenn Sie etwa den Weg zur Tür in Zeitlupe nehmen.
- Beginnen Sie die Übung damit, den Boden unter Ihren Füßen zu spüren und Ihr Gewicht auf beiden Fußsohlen. Nehmen Sie sich Zeit dafür. Je mehr wir unter Stress stehen, desto schwieriger ist Spüren. Wenn Sie die Aufmerksamkeit gar nicht auf Ihre Füße lenken können, weil Ihnen so viel durch den Kopf geht, ist das ok. Geben Sie nicht so schnell auf, nach dem Motto: Das geht jetzt nicht. Gehen Sie einfach zum nächsten Punkt in dieser Anleitung. Oft lässt sich die Aufmerksamkeit, vielleicht mit Abschweifungen, nach ein paar Schritten doch auf die Übung ein. Außerdem gilt: Je ungeduldiger, desto schwieriger die Konzentration. Das ist wie sonst im Leben.
- Verlagern Sie dann Ihr Gewicht auf einen Fuß, z.B. den rechten. Machen Sie eine kleine Pause. Finden Sie einen stabilen Stand auf dem rechten Fuß, spüren Sie Ihr gesamtes Körpergewicht auf der rechten Fußsohle. Um auch die Entspannung im linken Fuß und Bein noch besser zu spüren, können Sie die linke Ferse etwas vom Boden abheben. Aber lassen Sie die Zehen noch am Boden. Spüren Sie den Unterschied zwischen rechtem und linkem Fuß, so gut Sie das im Moment können. Machen Sie sich keinen Druck. Heben Sie nun den linken Fuß ganz vom Boden ab, schieben ihn nach vorne und setzen ihn wieder ab. Vielleicht bemerken Sie dabei die Anstrengung, die das Hochheben und Vorwärtsbewegen des linken Fußes erfordert. Verlagern Sie nun das gesamte Gewicht auf den linken Fuß. Und lassen Sie sich wieder Zeit zu spüren. Auf diese Weise machen Sie ein paar Schritte.
- Allein das körperliche Spüren der einzelnen Schritte mit Anstrengungs- und Entspannungsphase unterstützt Sie dabei, „aus dem Kopf rauszukommen“ und auch mental etwas zu entspannen. Die mentale Entspannung und den Transfer in den Alltag, können Sie noch unterstützen, indem Sie das Absetzen eines Fußes und das Spüren des ganzen Körpergewichts auf einem Fuß mit innerlich gesprochenen Worten unterstützen, z.B. mit „angekommen“, „Entspannung“, „erledigt“ oder durch andere Worte, die Sie einladen, nach einer Anstrengung zu entspannen.
Ich wünsche Ihnen einen (schritt-) weisen Umgang mit Ihren Zielen.
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