Die Pandemie hat unser Leben auf den Kopf gestellt und viele Rahmenbedingungen in einem Ausmaß verändert, das wir uns noch vor einem Jahr nicht einmal ansatzweise vorstellen konnten: zuhause unterrichten, zuhause arbeiten, nächtliche Ausgehverbote, keine Feiern, keine Urlaubsreisen, kein Fitnessstudio, kein Kino, kein Restaurant, kein Shopping und für manche existenzbedrohende Einbrüche. Je länger die Beschränkungen dauern, umso schwerer fällt es, Geduld, Zuversicht und Akzeptanz aufrecht zu erhalten. Die Sehnsucht nach der Normalität vor Corona wächst. Doch vieles spricht dafür, dass es ein Nach-Corona nicht geben wird, jedenfalls nicht so, wie wir es vor einem Jahr noch gekannt haben. Wir sollten uns darauf einzustellen, dass es nach Corona anders sein wird als vorher.
Doch wie in jeder Krise, in der es nicht einfach so weitergeht, wie bisher, gibt es auch den Keim für Neues: neue Chancen oder Wahloptionen, interessante Verhaltensexperimente und inneres Wachstum. Alles das können wir unterstützen, wenn wir sehen lernen. Es gibt viele Wege, dem näher zu kommen, was wir wirklich wollen und brauchen. Wir brauchen den alten Gewohnheiten, unsere Bedürfnisse zu befrieden, nicht nachzutrauern.
Worum geht es wirklich, wenn wir damit hadern, dass wir etwas nicht mehr so tun können, wie wir es gewohnt waren. Jedes diffuse Unbehagen, jede Frustration, jeder Hader ist eine Gelegenheit, sich ihnen zu stellen und sie zu erforschen. Dank Corona hätten wir ja auch freie Zeit für eine solche wachstumsfördernde Forschungsarbeit. Hier eine Anleitung dafür.
- Wenn Sie bemerken, dass Sie unzufrieden oder frustriert sind oder sich unbehaglich fühlen, vielleicht weil Ihnen gewohnte Möglichkeiten, Ihr Leben zu gestalten, aufgrund der Pandemie verschlossen sind, ist das ein guter Anlass für diese Übung.
- Nehmen Sie sich mindestens 5 bis 10 Minuten Zeit und lassen Sie sich von Ihrem Smartphone das Ende der Zeit anzeigen. Sorgen Sie dafür, dass Sie ungestört sind und legen Sie sich etwas zum Schreiben zurecht.
- Beginnen Sie damit, Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Atem zu lenken und zu spüren, wie der Atem in sie einströmt und sie wieder verlässt und dabei ihren Körper verändert. Immer wieder neu, denn gedankliche Abschweifungen sind normal.
- Wenden Sie sich dann Ihrem Unbehagen, Ihrem Hader, Ihrer Frustration zu. Was denken Sie? Welche Gedanken tauchen auf? Schreiben Sie alles auf, was Ihnen in den Sinn kommt, ohne es zu bewerten oder gar zu verurteilen. Und wenn Sie doch bewerten und verurteilen, schreiben Sie auch das auf. Lassen Sie alles, was sie denken auf das Papier „fließen“, ohne Pause und ohne Abzusetzen. Wenn Ihnen nichts mehr einfällt, schreiben Sie einfach „mir fällt nichts ein“ und machen Sie sich bewusst, dass das Geschriebene nur für Sie bestimmt ist.
- Schreiben Sie so lange, bis Ihr Smartphone das Ende der Zeit signalisiert. Brechen Sie das Schreiben nicht vorher ab. Denn häufig kommen wichtige, vielleicht ungewohnte Gedanken und neue Ideen, wenn Sie Phasen des Leerlaufs aushalten.
- Wenn die Zeit vorbei ist, beenden Sie das Schreiben und lesen Sie das Geschriebene durch, gerne auch mehrmals. Gibt es Anlass, mitfühlend mit sich zu sein, weil die Dinge und Sie selbst so sind, wie Sie sind oder weil es Hinweise auf vielleicht alte leidvolle Erfahrungen gibt? Oder gibt es Überraschendes, Unerwartetes, neue Sichtweisen, Ideen oder Handlungsimpulse.
- Egal, wie Sie die Fragen beantworten und ob Sie sich durch die Übung etwas besser verstehen oder ob Neues zu Tage gefördert wurde, wertschätzen Sie sich dafür, dass Sie die Übung gemacht haben. Das allein ist schon etwas Neues.
Ich wünsche Ihnen fruchtbare Wachstumszeiten.
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