Ein alter Indianer sitzt mit seinem Sohn am Lagerfeuer und spricht: „Mein Sohn, in jedem von uns tobt ein Kampf zwischen zwei Wölfen. Der eine Wolf ist böse. Er kämpft mit Missgunst, Gier, Selbstmitleid, Lügen, Egoismus und Angst. Der andere Wolf ist gut. Er kämpft mit Gelassenheit, Güte, Mitgefühl, Dankbarkeit, Wahrheit und Vertrauen.” Der Sohn fragt: „Und welcher der beiden Wölfe gewinnt?“ Der alte Indianer schweigt eine Weile. Dann sagt er: „Der, den du fütterst.“
Welchen Wolf füttern Sie in Coronazeiten? Was hat im Moment bei Ihnen die Oberhand: Angst oder Vertrauen? In Zeiten, in denen niemand weiß, wie die Pandemie weitergeht und wie wir mit ihren Folgen zurechtkommen werden, ist es nicht so einfach, Vertrauen in die Zukunft und die menschliche Verbundenheit zu nähren. Denn, ohne dass wir noch etwas zufüttern müssten, wird der Angst-Wolf auf allen Medienkanälen mit mehr oder weniger validen Info- und Meinungshappen gemästet.
Vielleicht wird sich die Welt ja tatsächlich stark verändern und die Veränderungen vieles von uns abverlangen. Aber wir wissen es nicht und können es auch nur begrenzt beeinflussen. Sorgen und Angst sind verständlich und meistens erträglich, solange sie nicht überhandnehmen und unsere Gegenwart „auffressen“, die einzige Realität, die wirklich zählt.
Achtsamkeit lehrt uns, wie heilsam es sein kann, sich mit Unangenehmem, z. B. Sorgen anzufreunden, statt mit ihnen zu hadern. Das folgende „Gedankenexperiment“ kann ein Schritt im Anfreunden sein. Vielleicht entdecken sie dabei auch Futter-Happen für Ihren guten Wolf.
- Jeder Moment, in dem Ihnen Sorgen und Befürchtungen bewusstwerden, die vielleicht mit ungewissen Veränderungen einher gehen, ist eine Gelegenheit für diese Übung.
- Machen Sie sich die Vorstellungen und Zukunftsphantasien bewusst, die mit den Sorgen und Befürchtungen verbunden sind. Geben Sie dann so gut es Ihnen möglich ist, den inneren Widerstand und den Kampf dagegen auf, dass es so kommen könnte, wie sie befürchten. Freunden Sie sich damit an, dass ihre Vorstellungen und Phantasien tatsächlich eintreten können. Akzeptieren Sie gewissermaßen versuchsweise, nur im Rahmen dieses Experimentes, dass es so kommen kann, wie sie befürchten.
- Achten Sie dann darauf, wie sie gefühlsmäßig reagieren, wenn Sie den Kampf aufgeben. Manchmal entspannt man sich und kann die Entspannung auch körperlich spüren.
- Stellen Sie sich dann diese Fragen: Was wäre anders, wenn ich es zulassen würde, dass es so kommt, wie ich es befürchte? Was könnte mich dann unterstützen, nähren oder tragen, wenn es wirklich so käme? Was könnte dann neu entstehen? Welche Chancen könnte es haben? Vielleicht wird Ihnen etwas bewusst, was Sie immer schon trägt und nährt, auch jetzt in diesem Moment.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie in diesem Gedankenexperiment und vielleicht auch sonst in Ihrem Leben immer wieder Happen von Liebe, Vertrauen, Mitgefühl und Verbundenheit entdecken, mit dem Sie Ihren guten Wolf füttern können.
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