… so schallt es heraus. Meistens wird die Redewendung so verstanden: Wie man andere Menschen behandelt, so wird man von ihnen behandelt. Es gibt aber auch eine Deutung, die wir genauso ernst nehmen können: Wie wir andere behandeln, so erwarten wir die gleiche Behandlung auch von ihnen. Denken und verhalten wir uns freundlich, so gehen wir davon aus, dass andere ebenfalls freundlich gesinnt sind. Wenn wir anderen gegenüber anspruchsvoll sind, sie schnell kritisieren, verurteilen oder abwerten, weil sie nicht so reden und handeln, wie es uns gefällt, erwarten wir das gleiche auch von ihnen.
Die Projektion, von uns auf andere zu schließen, läuft so automatisch ab, dass wir sie nicht bemerken. Dagegen kriegen wir ihre Wirkung sehr wohl mit. Das Echo auf unsere Rufe hören wir sehr gut. Es macht einen großen Unterschied, ob wir andere eher als freundliche oder eher als kritische Zeitgenossen sehen. Im ersten Fall können wir leichter Kontakt aufnehmen, schneller entspannen und uns mehr so geben, wie wir sind. Im zweiten Fall sehen wir in anderen vor allem anspruchsvolle Kritiker und Kritikerinnen, denen man es nur mit großer Anstrengung rechtmachen kann, denen man sich anpassen muss, um keinen Anlass für Kritik oder Abwertung zu geben. Ein fruchtbarer Boden für Perfektionismus und sozialen Rückzug, der noch gedüngt wird, wenn wir glauben, dass sich die Abwertung hinter Lächeln verbirgt, wie wir es ja auch von uns selbst kennen.
Der Clou an diesem Projektionsmechanismus ist, dass unsere eigenen Denk- und Bewertungsgewohnheiten Ursache dafür sind, was wir anderen unterstellen und wie wir dann mit ihnen und sie mit uns umgehen. Klar, das ist nicht die ganze Wahrheit. Zu der gehören natürlich auch die anderen, aber meistens viel weniger als wir (gerne) glauben. Vielleicht überzeugt sie ja die Wirkung der folgenden Übung. Probieren Sie es aus.
- Der erste Schritt ist schon gleich der schwerste: Bemerken Sie, wenn Sie schlecht über andere denken, wenn Sie sie in Gedanken kritisieren oder abwerten, weil sie nicht so aussehen, nicht so reden und sich nicht so verhalten, wie es Ihnen gefällt, weil sie vielleicht Meinungen vertreten, die nicht Ihre sind, weil sie nichts Interessantes erzählen, weil sie Widerspruch, Ärger oder Langeweile bei Ihnen auslösen. Das Bemerken von Gedanken und Reaktionen ist deshalb so schwer, weil Sie Automatismen, die ja gerade durch Gedankenlosigkeit gekennzeichnet sind, unterbrechen müssen. Das gelingt besser, wenn Sie sich bewusst entschließen, diese Übung zu machen, sich immer wieder an den Entschluss erinnern oder durch Erinnerungsanker an ihn erinnern lassen, z.B. durch Post-its oder Handysignale. Vielleicht nutzen Sie Situationen im Zug, im Bus oder bei öffentlichen Veranstaltungen, um sich auf einem „neutralen“ Terrain ihre spontanen Reaktionen auf einzelne Personen bewusst zu machen.
- Der zweite Schritt besteht darin, negative Gedanken nicht weiterzudenken, sie mit Entschlossenheit zu stoppen. Je größer Ihre emotionale Erregung oder ihre persönliche Betroffenheit ist, desto schwerer fällt das natürlich. Gelingt der Schritt nicht, wiederholen Sie die Übung in Gedanken, wenn die Emotionen abgeebbt sind.
Statt der gewohnten kritischen Gedanken, finden Sie andere Gedanken, z.B. „das hat nichts mit mir zu tun“, „meine Meinung ist ok, ich muss mich nicht anpassen“, „da steckt viel Leid dahinter, dass jemand so reagiert, aber natürlich darf ich meine Interessen vertreten und mich schützen“. In diesem Schritt geht es nicht darum, sich selbst klein zu machen, eigene Interessen oder den Schutz gegen Anfeindungen oder Abwertungen aufzugeben. Ein Gegenüber nicht mehr abzuwerten, bedeutet noch lange nicht, alles vom Gegenüber gut zu heißen. - Im dritten Schritt geht es darum, zu beobachten wie sich das Verhältnis oder das Verhalten zum Gegenüber verändert, wenn Sie es schaffen, negative Gedanken durch positivere zu ersetzen. Vielleicht bemerken Sie, dass Ärger, Widerstand oder Fluchttendenzen schwächer werden, dass Sie sich mehr entspannen können, dass Sie Neues, Ansprechendes, Interessantes an Ihrem Gegenüber entdecken oder dass Sie, vielleicht überraschenderweise, auf neue Ideen kommen, wie Sie Ihre eigene Position deutlicher vertreten oder sich besser vor Abwertungen schützen können.
Ich wünsche Ihnen erfolgreiches Stoppen schädlicher Gedanken.
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