Meditieren ist kein Kopfkinostopp

von | Feb 8, 2024 | Meditation, Umgang mit sich

Gerne würden wir runterkommen, den Kopf leer kriegen, uns von quälenden Grübeleien, den Dämonen schlafloser Nächte befreien. Da verspricht Meditation Erlösung: nichts denken, mental abhängen und im Oberstübchen Ruhe einkehren lassen. Das ist zumindest ein verbreiteter Wunsch, der mit Meditation verbunden wird. Weder der Wunsch noch die Idee, dass Meditation den Geist beruhigen kann, sind falsch. Aber manche Vorstellungen, wie das geht, sind es. Sie können große Hindernisse auf dem Weg zu mentaler Ruhe sein.

Eines der größten Hindernisse ist die Idee, dass es in der Meditation darum gehen würde, die Gedanken loszuwerden oder noch besser nichts mehr zu denken. Wer schon mal Meditation ausprobiert hat, hat gemerkt: das klappt nicht. Manchmal passiert sogar das Gegenteil. Die Gedanken werden mehr und aufdringlicher. Und weil diese Erfahrung unserem Wunsch so deutlich widerspricht, sind wir enttäuscht und lasten uns auch noch die mangelhafte Zielerreichung an: „Ich mache das irgendwie falsch, sonst würde es ja funktionieren.“ Oder: „Ich habe kein Talent fürs Meditieren, ich kann das einfach nicht.“

Um Enttäuschung und Selbstkritik in Grenzen zu halten, sollten wir zu Meditation, genauer zu Achtsamkeitsmeditation, folgendes wissen: 1) Meditation verhindert oder blockiert nicht das Denken. 2) Meditation ist ein mentales Training, das nach vielen Trainingsrunden den Effekt haben kann, dass der Geist ruhiger wird. 3) Das Training besteht darin, die Aufmerksamkeit von den Gedanken nicht gefangen nehmen zu lassen, sondern sie immer wieder weg von Bewertungen, To-do-Listen, Zukunftssimulationen, Ich-Geschichten usw. auf etwas anderes, z.B. den Atem, zu lenken. Meditieren bedeutet also, das Loslassen von Gedanken zu trainieren. Das ist etwas völlig anderes, als sie zu stoppen.

Wie beim körperlichen Fitnesstraining ist der Trainingseffekt von Meditation sowohl von der Trainingsdauer als auch von der Regelmäßigkeit des Trainings abhängig. Wenn Sie also überhaupt mental trainieren möchten – die positiven Effekte sind belegt und vielfältig – überfordern Sie nicht ihre Ausdauer und ihre Disziplin. Suchen Sie sich ein Training, das Ihnen leichtfällt und sie zeitlich wenig belastet. Glücklicherweise können Sie überall und mit beliebigen Objekten meditieren, sei es Duschen, Geschirr spülen, Atmen oder der Blick aus dem Fenster. Hier eine Anleitung für eine solche Sehmeditation, die Sie als kurze Unterbrechung, z.B. Ihrer Schreibtischarbeit, in Ihren Alltag einbauen können.

  • Treffen Sie als erstes die Entscheidung, wie lange Sie meditieren und den Blick aus dem Fenster als Meditationsobjekt nutzen möchten. Vielleicht lassen Sie sich von Ihrem Handy die gewählte Meditationszeit signalisieren. Mein Tipp: Fangen Sie klein an, vielleicht mit einer Minute. Verlängern Sie erst, wenn Ihnen die Zeit zu kurz ist.
  • Nehmen Sie das Fenster als Rahmen für die Sehmeditation. Schauen Sie auf die verschiedenen Formen. Sehen Sie Rundes, Eckiges, Krummes, Gerades. Schauen Sie auf die Farben, ihre Nuancen und Schattierungen. Bemerken Sie Bewegungen.
  • Nutzen Sie die Farben, Formen und Bewegungen dazu, Ihre Aufmerksamkeit immer wieder auf sie auszurichten, wenn sie merken, dass sie von Gedanken abgelenkt wurden, z.B. durch solche Fragen: Was muss ich noch alles erledigen? Was ist das für ein Auto? Wer geht dort? Kommt die Sonne heute noch durch? Woher weht der Wind? Vielleicht unterstützen Sie den „Rückkehrprozess“, indem Sie sich innerlich immer wieder fragen: Welche Farben, Formen oder Bewegungen fallen mir jetzt auf?
  • Erwarten Sie nichts Besonderes von der Übung. Bleiben Sie so anspruchslos wie möglich. Manchmal ist so viel im Kopf los, dass es überhaupt sehr schwer ist, die Aufmerksamkeit von Sorgen und Befürchtungen loszubekommen. Das ist ok. Sie können darauf vertrauen, dass jedes bewusste Wahrnehmen, sei es noch so kurz, heilsam ist und ein Mini-Schritt in Richtung Gedankenberuhigung.
  • Seien sie geduldig. Dazu gehört auch das Aushalten von Langeweile. Farben, Formen und Bewegungen aktivieren zwar weniger die Gedankenproduktion, sind aber gerade anfänglich oft langweiliger als die vielen Storys, die wir uns erzählen. Es kann etwas dauern, bis wir die Freude am bloßen Wahrnehmen (wieder) entdecken.

Ich wünsche Ihnen effektvolle und erfüllte mentale Trainingseinheiten.

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