Außerhalb der Komfortzone

von | Juli 24, 2024 | Arbeitskontext, Umgang mit sich, Umgang mit Unangenehmem

Achtsamkeit und Meditation werden oft mit Entspannung, Wohlbefinden und Ruhe assoziiert. Die Assoziation passt. Doch der Weg dorthin, bis sie passt, kann lang, anstrengend und herausfordernd sein. Aber es lohnt sich, ihn zu gehen. In vielerlei Hinsicht. Eine davon ist, dass wir lernen können, etwas bereitwilliger unsere Komfortzone zu verlassen, Unangenehmes tatsächlich anzupacken, weniger aufzuschieben und uns durchzubeißen, bis wir unsere Ziele erreicht haben. Zufriedenheit gibt es nur so.

Wir sind alle Profis darin, Unangenehmes oder Anstrengendes zu vermeiden und uns nicht durchzubeißen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Manchmal besteht das Durchbeißen gerade nicht darin, sich noch mehr anzustrengen, sondern gewohnte, aber krankmachende Anstrengungen aufzugeben und stattdessen Unangenehmeres oder Riskanteres zu wagen, z.B. mit Partnern oder Vorgesetzten zu reden. Egal was uns das Leben an Unangenehmem (besser bekannt als Sch…) vor unserer Haustür ablädt, wir sind die einzigen, die es wegräumen können. Meist müssen wir dafür auch noch die Grenze unserer Komfortzone übertreten. Das erkennen wir daran, dass sich unsere inneren Komfortzonen-Lobbyisten massiv zu Wort melden: „Das kannst Du nicht machen, was sollen die Leute denken.“ „Du verlierst das Gesicht“. „Du schaffst das sowieso nicht.“ „Du handelst Dir nur Frust ein.“ „Die Folgen werden unabsehbar und dramatisch sein.“ Ja, es kann hilfreich sein, auf Lobbyisten zu hören, aber ihnen immer auch zu folgen sicher nicht.

Achtsamkeit kann uns zum einen dabei helfen, Unangenehmes anzupacken, indem wir uns der meist übertriebenen „Aufführungen“ unserer inneren Lobbygruppen bewusster werden. Erst dann hat eine zweite, weniger dramatisierende Meinung überhaupt eine Chance. Eine andere Möglichkeit ist, sich darin zu üben, dem Gezeter der Lobbygruppen die Aufmerksamkeit zu entziehen und sie gezielt auf etwas anderes zu richten. Vielleicht erkennen Sie das Trainingsprogramm wieder. In jeder Atemmeditation üben wir genau das: das Loslassen oder nicht Beachten von Bewertungen, Kommentaren, Erinnerungen, Sorgen oder Zukunftssimulationen und die Aufmerksamkeit immer wieder auf den Atem zu lenken. Die folgenden Hinweise sind in gewisser Weise eine Meditationsanleitung, bei der das Objekt nicht der Atem, sondern ein unangenehmes, aber notwendiges To-do ist.

  • Beginnen Sie damit, dass Sie für die folgende Übung ein To-do auswählen, das Ihnen niemand abnehmen kann und dessen Erledigung sich positiv auf ihre Gesundheit, Ihr Wohlbefinden, Ihre Zufriedenheit oder Ihre Beziehungen auswirkt. Das reicht vom Keller aufräumen, Steuerklärung oder Patientenverfügung machen über wichtige, aber bisher vermiedene Gespräche bis zu folgenreichen Entscheidungen, z.B. ein Umzug, ein Jobwechsel oder der Drogenentzug.
  • Fassen Sie den Entschluss, das To-do anzugehen. Jeder wirkliche Entschluss, der mehr ist als ein Lippenbekenntnis, mobilisiert Energie und Kraft. Hilfreich und motivationsstärkend kann es sein, Ihren Entschluss „öffentlich“ zu machen und einer oder mehreren Vertrauenspersonen davon zu erzählen, sie vielleicht sogar um Unterstützung zu bitten, wenn die Hindernisse übermächtig zu werden drohen.
  • Üben Sie jedes Mal, wenn Sie ihr To-do anpacken, Ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten, was im Moment sachlich zu tun ist, um bei Ihrem To-do einen Schritt weiter zu kommen. Sobald Sie merken, dass Ihre inneren Lobbygruppen Ihre Aufmerksamkeit bannen, indem sie Sorgen, Ängste oder Selbstzweifel schüren oder Sie für Vergnüglicheres gewinnen wollen, lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit einfach wieder zurück auf das, was Sie inhaltlich tun müssen. Lassen Sie sich – wie bei einer Atemmeditation – nicht davon entmutigen, wenn Sie das immer wieder tun müssen.
  • Je größer die Konzentration auf die Sache, desto eher haben Sie die Chance, in der Arbeit an Ihrem To-do etwas zu entdecken, was Spaß macht, Zufriedenheit oder Freude bereitet, und sei es „nur“, dass Sie sich darüber freuen, sich selbst überwunden zu haben und einen Schritt in Ihrem To do weitergekommen sind.
  • Bleiben Sie freundlich und verständnisvoll mit sich. Gestehen Sie sich Rückschläge, Lern- und Entwicklungszeiten und Erholungsphasen zu. Solange Sie immer wieder Ihr To-do anpacken, und es nicht aufgeben, ist alles im grünen Bereich und vergessen Sie nicht, das Triggern von Selbstkritik ist eines der wirksamsten Mittel unserer inneren Lobbygruppen, uns wieder in die Komfortzone zu locken.

Ich wünsche Ihnen erfolgreiche Ausflüge in Ihre mentalen Risikogebiete.

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